Sieben Todsünden - Figurenwerk

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Sieben Todsünden

Figuren


SIEBEN TODSÜNDEN  
SIEBEN WEGE INS UNGLÜCK

Der Begriff der „Todsünde“ mutet uns heute verstaubt und veraltet an. Auch haftet dem Begriff etwas Rohes und Brachiales an, er ist verbunden mit der Vorstellung von schlimmen Höllenstrafen, die auf die Sünden folgen müssen. In einer Zeit, in der die christliche Religion zumindest in unserer Gesellschaft ihre Bindungskraft verliert, hört man nicht gerne von Sünde und Bestrafung. Dennoch haben die „Todsünden“ auch heute noch für den Menschen eine Bedeutung. Obwohl wir uns in zivilisatorischer Hinsicht durchaus weiterentwickelt haben, kann jeder und jede von uns bei sich oder auch an anderen Neid, Hochmut, Zorn und auch Völlerei, Wollust, Habgier und Trägheit erkennen. Ich möchte die „Todsünden“ in unserer heutigen Zeit als „Haltungen“ bezeichnen.

Als solche hat jede einzelne von ihnen das Potential, den Menschen, der sie vertritt und damit lebt, unglücklich zu machen. Auch das soziale Umfeld, in dem diese Haltungen gelebt werden, bleibt durch sie nicht unberührt. Insofern können diese Haltungen auch als „Wege ins Unglück“ bezeichnet werden. Bemerkenswert ist, dass in der Gegenwart viele der Haltungen, die den Menschen unglücklich machen können, oftmals als erstrebenswert propagiert werden. Man denke an die Slogans der Werbung: „Geiz ist geil“, „All you can eat“, „Sex sells“. Auch die ungebremste „Selbstbegeisterung“ und die Überlegenheit über andere ist eine durchaus erstrebenswerte und anerkannte Haltung.

Und nicht zuletzt der ständige Vergleich mit dem was andere sind und haben wird immer wieder auch durch die sozialen Netzwerke angestachelt. Die Figuren des „Todsündenzyklus“ bringen diese Haltungen des Unglücks ins Bild, machen ihren psychologischen Gehalt sichtbar und sollen den/die Betrachter*in anregen, über die Konsequenzen für das eigene Leben nachzudenken.
HOCHMUTSUPERBIA
„Die Berauschung am eigenen Licht“ (H. von Bingen)“

Hochmut ist als „geistige Sünde“ im Christentum die Wurzelsünde aus der andere, verfehlte Haltungen entspringen. Hochmut wird oft auch mit Stolz gleichgesetzt. Beim Stolz muss allerdings unterschieden werden zwischen berechtigtem Stolz auf eine eigene Leistung oder die einer nahestehenden Person und problematischem Stolz auf Dinge, die man nicht zu verantworten hat.
Die hässlichen Gesichter des Hochmuts
Überheblichkeit, Arroganz, Eitelkeit, Herabschauen auf andere, dünkelhafter Stolz, übergroße Selbstbegeisterung, grandioser Narzissmus, „Ich“ sagen und „Du“ ausschließen, Gefühl der eigenen Grandiosität, Anmaßung, Erwartung der großen Aufmerksamkeit von anderen; auf gesellschaftlicher Ebene: Nationalstolz, der andere Nationen und Menschen abwertet.

Welches Unglück Hochmut bringen kann
Aggression und Stress, Einsamkeit und Isolation, unglückliche Beziehungen zu anderen, Ängste vor Statusverlust, rivalisierender Lebensstil, leichte Kränkbarkeit, Krieg.

Was hilft?
Leider oft wenig, da keine Einsicht in die eigenen Defizite vorhanden sind. Bescheidenheit und Demut (im Hinblick auf das eigene Sein) einüben, Empathie üben, das Leben als „Gabe“ leben. „Das Leben ist nicht die Leihgabe für das ICH. ICH ist die Leihgabe“ (Beat Frutiger).
ZORNIRA
„Ich könnt vor Wut zerplatzen“

Zorn ist eine evolutionäre Mitgift und eine fundamentale Emotion jedes Menschen, die eine große Kraft und Energie in sich trägt und durchaus auch zu einer Verbesserung einer Lebenssituation eingesetzt werden kann. Auslöser von Zorn kann im menschlichen Miteinander jede Art von „unfair“ empfundener Behandlung sein.

Die hässlichen Gesichter des Zorns
Feindselige, heiße Aggression, Raserei, Rachsucht, Verbitterung, Jähzorn, Gewalt, Misshandlung, heftiger Ärger, blinde Wut; Zorn kann gespürt aber nach außen verborgen werden und dann im Inneren des Menschen großen Schaden anrichten.

Welches Unglück Zorn bringen kann
Feindseligkeit und Stress, Zerstörung von sozialen Beziehungen, Zorn kann verletzend und tödlich sein, Zerstörung der eigenen Biografie (wenn er zu kriminellen Taten führt), gesundheitliche Schädigung des Herz-Kreislaufsystems ( Steigerung des Infarktrisikos), Depression, wenn man Zorn in sich hineinfrisst, Angst, Einsamkeit, Schädigung des Selbstwerts.

Was hilft?
Tiefes Atmen und Augen schließen, bevor auf den Frust reagiert wird, kognitive Umstrukturierung (z.B. Situationen anders bewerten, nicht alles auf sich beziehen, was andere machen), Entspannungstraining, Autogenes Training, Problemlösung statt Emotion in den Mittelpunkt stellen, Gewaltfreie Kommunikation einüben, Anti-Aggressions-Training, medikamentöse Intervention.
NEIDINVIDIA
„Von Neid zerfressen sein“

Neid hat viele, kaum aber freundliche Gesichter. In eher seltenen Fällen kann Neid zum Antrieb werden („gutartiger“ Neid, der zur eigenen Anstrengung führt). Der Neid kommt vor allem in denen auf, die sich herabgesetzt, zerrissen und leer fühlen.

Die hässlichen Gesichter des Neids
Sich dauernd mit anderen vergleichen, anderen ihr Glück nicht gönnen, Missgunst, Feindseligkeit anderen gegenüber, weil man haben will, was ein anderer hat, aber auch kaputt machen will, was andere haben; nagender Neid, mörderischer Neid, empört-rechtender Neid, scheeler Blick, Eifersucht, Schadenfreude.

Welches Unglück Neid bringen kann
Quälende Gesinnung, nagendes Gefühl, Unzufriedenheit, Neid macht böse auf die anderen und die „ungerechte“ Welt. Neid richtet sich letztlich gegen die eigene Psyche, kann depressiv-lähmend wirken und schränkt die Lebenszufriedenheit in erheblicher Weise ein. Neid kann in schlimmen Fällen auch körperliche Beschwerden verursachen.

Was hilft?
Es gibt keine Therapie gegen Neid. Helfen könnte die Reflexion darüber, was im Leben denn wirklich wichtig ist. Auch die Betrachtung der Bedeutung von Dingen und Positionen aus der Perspektive der Vergänglichkeit und des Todes kann helfen. Eine Strategie könnte auch sein, die eigenen Kompetenzen zu steigern, den eigenen Focus auf andere Lebensschwerpunkte zu legen.
VÖLLEREIGULA
„All you can eat“, „Saufen bis der Arzt kommt“

Im erweiterten Sinne kann Völlerei auch verstanden werden als Maßlosigkeit im Arbeiten, Einkaufen, Computerspielen…. Völlerei ist dann eine Haltung des „Immer mehr haben wollen“ und die damit einhergehende Verschwendung von Ressourcen. Hier soll sich die Völlerei in einem engeren Sinne vor allem auf die Aspekte des Essens und Trinkens beziehen.

Die hässlichen Gesichter der Völlerei
Fressucht, Binge-Eating, sich überfressen, „üppiges Leben in rohem Genuss“ (Grimmsches Wörterbuch), Fettleibigkeit, Esstörungen wie z.B. Bulimie, Trinksucht, Alkoholmissbrauch, Komasaufen.

Welches Unglück Völlerei bringen kann
Schaden für die Gesundheit mit allen möglichen negativen Folgen für die persönliche Lebensführung, vielfältige Krankheiten, Verkürzung der Lebenszeit, beschwerliches Leben, soziale Isolation, Nachteile im Berufsleben, Zerbrechen von Beziehungen.

Was hilft?
Im Alltag: Verlockungen aus dem Weg gehen, keinen Vorrat an Süßigkeiten und ungesundem Essen pflegen, langsam essen, „achtsam kauen“, sich eingestehen, dass man ein Problem mit dem Alkohol hat, keinen Alkoholvorrat anlegen. Wenn man es selbst nicht mehr in den Griff bekommt, braucht man ärztliche Unterstützung durch medikamentöse und/oder therapeutische Interventionen.
TRÄGHEITACEDIA
„Unangenehme Windstille der Seele“ (Nietzsche)

In der Antike war „Müßiggang“ kein Laster. Anrüchig wurde diese Haltung erst mit dem Christentum, besonders im Zusammenhang mit der Reformation und im Frühkapitalismus. Hinter der Trägheit und dauernden Müdigkeit kann eine körperliche oder seelische Erkrankung stecken.

Die hässlichen Gesichter der Trägheit
Ignoranz, Lustlosigkeit, Faulheit, Desinteresse, Gleichgültigkeit, Passivität, Überdruss, Hoffnungs- und Interesselosigkeit, Melancholie, Müdigkeit, fehlender Antrieb, depressive Lähmung, Phlegma, Prokastination (Aufschieberei).

Welches Unglück Trägheit bringen kann
Selbstvorwürfe, sinkender Selbstwert, geringere Selbstwirksamkeit, Selbstekel, Spirale in die Depression: Untätigkeit begünstigt Melancholie, diese wiederum die Untätigkeit; Energiemangel, dauernde Erschöpfung, lebensmüde sein.
Was hilft?
Übung in Selbstdisziplin, Selbstkontrolle, Zeitmanagement, Ausblenden von Ablenkungsquellen bei Prokastination, Bewegung und Sport, unangenehme Dinge zuerst erledigen, Zuversicht, eine Aufgabe bewältigen zu können, medizinische Abklärung der Antriebslosigkeit (Eisenmangel, Jodmangel usw.) Behandlung der Depression – therapeutisch und medikamentös.
GEIZ/HABGIERAVARITIA
„Jedem das Seine und mir das Meiste“, „Geiz ist geil“,
„Mangel an Geben und Übermaß im Nehmen“ (Aristoteles)

Habgier und Geiz sind die zwei Seiten einer Medaille. Während der Begriff der Habgier das Raffen und das „Immer mehr“ betrifft, bezieht sich Geiz auf das Horten von materiellen Gütern und das „nicht mehr hergeben wollen. Habgier und Geiz treffen sich, wenn es darum geht für möglichst wenig Geld so viel wie möglich zu kaufen. In jedem von uns steckt doch ein/e SchnäppchenjägerIn, oder nicht?

Die hässlichen Gesichter des Geizes und der Habgier
Egoismus, Kaufsucht, Materialismus, Sammelwut, zwanghaftes Horten von Dingen, Messiesyndrom, Sucht nach mehr (Arbeit, Geld, Sex), Machtgier und Versklavung, extreme Sparsamkeit, Suche und Ausnutzen von Steuerschlupflöchern, Steuerhinterziehung, Schwarzarbeit.

Welches Unglück Geiz und Habgier bringen können
Verlustängste, Verarmungsängste, Misstrauen, Einsamkeit, Einbüßen von Bewegungsfreiheit, vollgestopfte Wohnung, Depressionen.

Was hilft?
Memento mori:  Das letzte Hemd hat keine Taschen! Übung in Spiritualität, Konzentration auf das „Wesentliche“ durch Meditation und Achtsamkeit, Einübung von Dankbarkeit.
WOLLUSTLUXURIA
„Doch alle Lust will Ewigkeit, will tiefe, tiefe Ewigkeit“ (Nietzsche)

Über Jahrhunderte hinweg ächtete die Kirche in ihrem totalitären Machtstreben die Wollust und verursachte bei vielen Menschen dadurch unendlich viel Leid. Diese Zeiten der moralischen Indoktrination sind in unserem Kulturkreis zum Glück weitgehend vorbei. Lust kann etwas Wunderbares sein, wenn sie sich frei von Zwang und ohne Ausbeutung entfalten kann. Lust hat aber auch eine große Nachtseite. So geht aus Studien hervor, dass ein Großteil der (männlichen) Jugendlichen zwischen 14 und 17 Jahren täglich bis wöchentlich zum Teil gewalttätige, extreme Pornografie konsumiert, die ein völlig verzerrtes Bild von sexuellen Beziehungen vermittelt.

Die hässlichen Gesichter der Wollust
Sexsucht, Missbrauch, Vergewaltigung, Voyeurismus, Exhibitionismus, Übergriffigkeit; Sex, der das Gegenüber zum „Ding“ macht, das „benutzt“ wird; Internetsexsucht, Pornosucht, Konsum von Kinderpornografie, zwanghafte Autoerotik, zwanghafte Promiskuität.

Welches Unglück Wollust bringen kann
Ekel und Angst, Zwang, finanzielles Desaster, Verlust von Ansehen und sozialer Stellung, Konflikt mit dem Gesetz, Drogensucht, Gefährdung des eigenen Lebens, Zerstörung des Lebens anderer Menschen.

Was hilft?
In der Familie sexuelle Aufklärung nicht dem Internet überlassen, bindungsorientierte Sexualpädagogik, kognitive Verhaltens-therapie, Selbsthilfegruppen, Vertiefung der Spiritualität, Einsatz von Medikamenten, hormonelle Behandlung.


Hauptquelle der Texte:
Anton Bucher: Geiz, Trägheit, Neid & Co in Therapie und Seelsorge. Psychologie der 7 Todsünden, Berlin Heidelberg, 2012.
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